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Rede Bürgermeister Alfred Sonders zum Neujahrsempfang 

am Freitag, 13. Januar 2023, 19 Uhr, Stadthalle Alsdorf

Sehr geehrte Damen,

sehr geehrte Herren,

liebe Alsdorferinnen und Alsdorfer,

verehrte Gäste,

ich freue mich, Sie so zahlreich bei unserem Empfang zum Neuen Jahr begrüßen zu können. Endlich wieder! Denn wie wir alle wissen, war solch eine große Runde zu Beginn der beiden vergangenen Jahre aufgrund des erforderlichen Schutzes vor dem Corona-Virus leider nicht möglich. Nicht möglich wie so vieles andere auch. Hinter uns liegen zwei Jahre, die so ganz anders waren als die zuvor. In denen so vieles Vertraute und Liebgewonnene plötzlich nicht mehr stattfinden konnte. Jahre, in denen sich mancher ganz neu orientieren musste und nicht wenige angesichts vieler Beschränkungen gar um ihre berufliche Existenz fürchten mussten. Ich will aber an dieser Stelle gar nicht näher auf all die Erschwernisse eingehen, die das Virus mit sich gebracht hat, denn die kennen wir ja alle zur Genüge. Wir haben gelernt, bestmöglich damit zu leben und aufeinander aufzupassen!

Leider hat das vergangene Jahr uns noch auf eine ganz andere Weise nachhaltig erschüttert. Sie alle haben die schrecklichen Bilder natürlich vor Augen, die uns seit dem 24. Februar 2022 täglich aus der Ukraine erreichen. Dem Tag, als der russische Präsident Wladimir Putin die vollkommen irrsinnige Invasion in sein Nachbarland befohlen hat. Ein Krieg in Europa hat begonnen – das war für uns doch über Jahrzehnte geradezu undenkbar. Junge Generationen in Europa sind aufgewachsen in dem guten Gefühl, in großer Sicherheit zu leben. Das gilt leider nicht mehr – und auch mir fällt es immer noch schwer, mit dieser traurigen Gewissheit zu leben. Doch das müssen wir, und wir müssen jetzt besonders stark sein und denen beistehen, die uns brauchen, auch hier bei uns, in Alsdorf. Es war schön erneut zu erleben, zu welcher Welle der Hilfsbereitschaft unsere Gesellschaft auch hier in Alsdorf fähig ist. Die Alsdorferinnen und Alsdorfer haben einmal mehr zusammengestanden und die unterstützt, die Unterstützung brauchten! Und so wollen wir es auch in Zukunft halten. Ich danke an dieser Stelle den Haupt- und Ehrenamtlichen, die wieder einmal engagiert und uneigennützig zur Stelle waren! Mit viel Kreativität und Dynamik hat unsere Gesellschaft Hilfsmaßnahmen organisiert. Ganz vorne mit dabei natürlich unsere Feuerwehr, DRK, THW, DLRG, der Alsdorfer Tisch, Kleiderladen, Kleiderkammer, alle Freiwilligen rund um den „ABBBA“-Treff und neu auf Facebook privat gegründete Gruppen, die in unserem Sozialamtsteam um Leiter Tim Krämer kompetente Ansprechpartner fanden. Dir, lieber Tim, und allen, die geholfen haben, gilt mein besonderer Dank!

Die Zahl der Menschen vor allem aus der Ukraine, die derzeit Zuflucht bei uns suchen, ist groß. Es ist nicht falsch zu sagen, dass dieser Zustrom eine größere Herausforderung ist als die große Flüchtlingsbewegung im Jahr 2015. Das wird nur in der Öffentlichkeit nicht im gleichen Maße wahrgenommen, wie es damals wahrgenommen worden ist. Die Kommunen sind erneut herausgefordert, Räume für die Versorgung zu schaffen. Dieser Aufgabe kommen wir nach, das ist selbstverständlich. Aber die Rahmenbedingungen sind nicht mehr die gleichen wie im Jahr 2015, denn nicht nur in Alsdorf sind die personellen Kapazitäten seit geraumer Zeit am Limit. Die Aachener Zeitung hat vor wenigen Wochen erst darüber berichtet, dass für die städtischen Verwaltungen längst das gleiche gilt, wie etwa für das Handwerk: Fachkräfte sind echte Mangelware! Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen, ist für die Kommunen zu einer sehr großen Herausforderung geworden. So mancher Platz bleibt auch bei uns mittlerweile unbesetzt. Dabei brauchen wir gerade jetzt dringend mehr personelle Stärke, um dem erheblich gestiegenen Aufwand gerecht zu werden. Leider – und das möchte ich an dieser Stelle ganz besonders hervorheben – sind manche der Herausforderungen, vor denen die Kommunen stehen, hausgemacht. Und das macht mir große Sorgen. Denn was die Rahmenbedingungen betrifft, lassen Bund und Land uns mehr und mehr am ausgestreckten Arm verhungern!

Ich will hier einmal ein Beispiel nennen, das gerade zu Beginn dieses Jahres aktuell geworden ist. Wie Sie vielleicht gehört haben, ist zum 1. Januar, die Wohngeldreform in Kraft getreten. Mehr Menschen haben nun einen Anspruch auf Unterstützung – und das ist in der Sache natürlich auch vollkommen richtig! Diejenigen zu unterstützen, die Unterstützung brauchen, ist die vornehmliche Aufgabe eines Sozialstaates, und wir in Deutschland können uns glücklich schätzen, dass unser soziales Netz so tragfähig ist und dass möglichst niemand durch dessen Maschen rutscht. Menschen, die Wohngeld benötigen, bekommen nun mehr. Gut so! Der Anspruch ist durchschnittlich von 180 Euro auf 370 Euro gestiegen. Ebenso steigen wird die Zahl der Empfängerinnen und Empfänger. Deutschlandweit wird sie von rund 600.000 Haushalten auf rund zwei Millionen anwachsen. Auch in Alsdorf gehen wir von der dreifachen Menge an Antragstellerinnen und Antragstellern aus. Deren Anträge müssen natürlich bearbeitet werden. Und dazu braucht es – das ist nun mal die logische Konsequenz – auch die dreifache Menge an Personal. Fünf neue Stellen müssen dafür allein bei uns in der Verwaltung geschaffen werden, finanziert mit etwa 75.000 Euro pro Stelle. Macht gut 370.000 Euro Mehrkosten, die wir aus dem städtischen Haushalt in jedem Jahr zusätzlich zu schultern haben. Und da spreche ich noch nicht einmal von zusätzlichen Büroräumen, die wir erst einmal finden und ausstatten müssen! Bei der Suche nach Personal steht die Stadt Alsdorf natürlich in Konkurrenz zu anderen Kommunen. Allein in der Städteregion Aachen müssen mindestens 50 Leute für den Wohngeldbereich gefunden werden. Und das, wo der Stellenmarkt ohnehin leer ist! Was mich ärgert, ist nicht zuletzt die Kurzfristigkeit, mit der den Kommunen diese Aufgabe aufgebürdet worden ist. Nach dem Motto: „Wir haben das beschlossen, und ihr kümmert euch jetzt mal flott um die Umsetzung!“ Warum hat man solch eine Reform in solch einem kurzen Zeitfenster durchgeboxt, obwohl doch jeder weiß, dass hierfür vor Ort einfach keine Leute vorhanden sind? Das ist ein Signal, das schon an Ignoranz grenzt. Hier werden völlig die Menschen vergessen, die täglich ans Maximum des Machbaren gehen, um vor Ort die Dinge zu regeln. So entsteht in der Mitarbeiterschaft Unmut in unerträglicher Weise. Unsere Leute in den Sozialämtern arbeiten eh schon am Anschlag, und mit der Krisenbewältigung von Corona bis Flüchtlingen tragen sie eine riesige Last und gehen uns womöglich von der Stange! Irgendwann ist es halt mal zu viel. Und am Rande bemerkt: Diese Wohngeldreform ist sogar derart flott übers Knie gebrochen worden, dass nicht einmal die nötige Logistik bereitsteht. Denn die benötigte Software, die zur Bearbeitung der Anträge zwingend erforderlich ist, wird landesweit flächendeckend voraussichtlich erst im April 2023 bereitstehen. Erst dann kann also die Bearbeitung erst so richtig starten! Wer im neuen Jahr einen Antrag stellt, wird sein Wohngeld später zwar rückwirkend erhalten, muss aber zunächst einmal vertröstet werden! Und das „Vertrösten“ ist dann wieder unsere Sache hier vor Ort, das machen nicht die verantwortlichen Ministerien in Berlin und Düsseldorf! So produziert man Frust auf allen Ebenen bei einer Sache, die eigentlich viel Lob verdient hat. Aber mit den Bedenken der Kommunen setzt man sich auf Landes- und Bundesebene, unabhängig von Parteifarben mal wieder nicht auseinander.  Und der Rat der Pragmatiker vor Ort wird wieder mal in den Wind geschossen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für jeden einzelnen von uns ist das tägliche Leben teurer geworden, sind die finanziellen Belastungen gestiegen. Mit Sorge blicken wir auf die Inflation. Die Energiekosten steigen, die Lebensmittel werden teurer – für so manchen ist das alles ohne Entlastungen kaum noch zu stemmen. Und es ist natürlich gut, dass wichtige Entlastungspakete wie die Energiepreispauschale oder der Kinderbonus auf Bundesebene geschnürt worden sind. Doch das, wovon die einzelnen profitieren, wird auf kommunaler Ebene zum echten Problem, weil solche entlastenden Maßnahmen, auf die Bund und Länder sich verständigt haben, sich leider auch negativ auf das Volumen der Einkommensteuer insgesamt und damit auch auf den Gemeindeanteil der Einkommenssteuer auswirken. Das ist das zweite Beispiel, wie die Belange der Kommunen auf Bundes- und Landesebene, man kann fast schon sagen „systematisch“ außen vor bleiben. Für Alsdorf bedeutet das konkret etwa 750.000 Euro weniger Einnahmen für das Jahr 2022. Und das ist ja kein Betrag, den man in einer Stadt mal eben so ersetzen kann. Bund und Länder haben hier wieder mal über die Köpfe der Kommunen hinweg verfügt und so getan, als würden Bund, Länder und Kommunen sich auf Augenhöhe befinden. Das ist aber eine Illusion, und ich frage mich, wann endlich entsprechend gehandelt wird in diesem Land! Augenhöge – das Prinzip des Föderalismus – existiert für die Städte und Gemeinden in diesem Land nicht mehr.

Das ist eine gefährliche Entwicklung, die mich beunruhigt. Die Kommunen sind organisationsrechtlich Teil der Länder. Das durch Verfassung garantierte Recht auf Selbstverwaltung gibt ihnen jedoch eine gewisse Eigenständigkeit und macht sie zu einem Teil unseres föderalen Staatsaufbaus. Eine Politik, die den Kommunen durch immer neue Belastungen ihre Selbstverwaltungsfähigkeit nimmt, sägt am Ast des föderalen Staatsaufbaus.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich könnte hier zahlreiche weitere Beispiele aufzählen, doch will ich sie mit den vielen Zahlen nicht erschlagen. Fest steht aber, dass Alsdorf alleine in den vergangenen zehn Wochen durch Entscheidungen, an denen wir nicht beteiligt waren, eine Haushaltsverschlechterung für 2022 in Höhe von 2,5 Millionen Euro hinnehmen musste! Und gleichzeitig steigen die Kosten für viele weitere Ausgaben.

Lag der städtische Zuschussbedarf im Bereich der Kindertagesstätten 2010 noch bei 3,9 Millionen Euro jährlich, sind es 2021 gut 6 Millionen gewesen. Der Rechtsanspruch auf Kita-Plätze, für den ich uneingeschränkt bin, wurde zwar nicht auf kommunaler Ebene beschlossen, ein Teil der Last gleichwohl auf unsere Schultern abgewälzt.

Der Zuschussbedarf im Bereich Asyl ist von rund 600.000 Euro im Jahr 2010 auf rund 1,4 Millionen in 2021 gestiegen. Das geht nicht nur uns in Alsdorf so. Unter den finanziellen Lasten ächzen überall im Land die Kommunen. Der eigentliche Skandal dabei ist, dass jeder auf der höheren Ebene in Land und Bund das ganz genau weiß - aber niemand tut das Entscheidende, um den Kollaps der Kommunen abzuwenden! Sowohl Land als auch Bund haben bei ihren Verhandlungen allein auf ihre eigenen Haushalte geachtet. Wir, die wir uns vor Ort um die Probleme kümmern und all die Vorgaben umsetzen müssen, haben wieder einmal überhaupt keine Rolle gespielt! Ich sage es noch einmal: Das ist frustrierend für alle, die täglich vor Ort ihr Bestes geben! Bund und Land entlasten sich auf unsere Kosten, bürden uns zusätzliche Arbeit auf, ohne die Kosten dafür zu übernehmen, weil sie nicht gewillt sind, die richtigen Entscheidungen so zu treffen, dass sie keine zusätzlichen Belastungen für die Kommunen verursachen. Niemand aus Bundes- und Landespolitik kann doch ernsthaft behaupten, er wisse nicht um die desolate Situation der Kommunen, zumindest in NRW. Im Gegensatz zu Bund und Land können wir nicht mal eben ein neues Sondervermögen, will heißen: ein Sonder-Schulden-Paket auflegen. Bei uns achtet die Kommunalaufsicht darauf, dass wir unsere Haushalte ausgleichen und das führt bei Städten ohne Rücklagen dazu, dass regelmäßig an der Steuerschraube gedreht werden muss. Und genau das ist auch so eine absurde Auswirkung einer Politik, die das Ganze aus dem Auge verliert: Da werden auf höchster politischer Ebene Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger beschlossen, aber auf kommunaler Ebene stehen dann diesen Entlastungen wieder neue finanzielle Belastungen gegenüber.

Ich behaupte nicht, dass das alles böswillig geschieht, aber es wirkt gedankenlos, wenn immer mehr Lasten auf kommunale Haushalte und damit auch wieder auf die Bürgerinnen und Bürger abgewälzt werden, um sich selbst zu entlasten! Dabei erfindet man dann Woche für Woche neue Regeln, die wir zu erfüllen haben und die nur wieder und wieder neuen Aufwand verursachen. Die kommunale Selbstverwaltung wird zunehmend ausgehöhlt. Wenn das so weitergeht, dann kann die Kommunalpolitik in ein paar Jahren vor Ort gar nichts mehr gestalten!

Was mich so richtig ärgert, ist das Feigenblatt das uns verpasst worden ist. Dieses Feigenblatt sieht so aus: Anstatt das Kernproblem der finanziellen Ausstattung zu lösen, werden die Kommunen mit einer regelrechten Flut von teils völlig unsinnigen Förderprogrammen überzogen, die einen immensen bürokratischen Aufwand verursachen und dadurch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort blockieren, die sich viel besser um andere Dinge im operativen Geschäft kümmern könnten. Das fängt schon bei der Antragstellung an. Auch hier ein kleines Beispiel: Wenn unsere Stadtwerke Alsdorf GmbH die Förderung für ein Solarprogramm stellen möchte, sollte man doch annehmen, dass sie das als 100-prozentige städtische Gesellschaft auch darf. Doch dem ist nicht so. Hier mussten städtische Mitarbeiter die Antragstellung übernehmen, und aufgrund der Komplexität mussten sie viele Arbeitsstunden für eine sehr überschaubare Fördersumme investieren. Solch ein Antrag bringt geradezu irrwitzige Nachweispflichten mit sich – und ist er dann endlich einmal auf den Weg gebracht, dauert es nicht selten Monate, bis die nächste Instanz sich um die Bearbeitung gekümmert hat. Wenn dann am Ende die Bewilligung endlich kommt, sind die Kosten längst davongaloppiert – oft genug muss das entstandene Loch dann wieder aus der Stadtkasse gestopft werden, die ohnehin leer ist. Also müssen andere wichtige Maßnahmen geschoben oder gestrichen werden.

Das ergibt doch keinen Sinn, so kann man Dinge doch vor Ort nicht vernünftig und mit dem nötigen Tempo gestalten! Das ist Gewurschtel und kein planvolles Handeln! Kein Wunder, dass wir mit der Energiewende nicht vorankommen. Man könnte so viel Personal auch in den Bezirksregierungen und Ministerien sehr viel besser einsetzen, wenn man diese Förderprogramme ganz abschafft, den Kommunen mehr Vertrauen schenkt und mehr finanziellen Spielraum für eigene Entscheidungen vor Ort an die Hand gibt. Ich fordere hier ganz klar verlässliche jährliche, pauschale Zuweisungen für Investitionen in die großen Transformationsziele der nächsten zehn Jahre: ÖPNV, Klimaneutralität, Breitbandausbau sowie Kita- und Schulbau und auch zur Finanzierung des laufenden Aufwands beim Personal für diese Aufgaben. Das hatten wir schon mal mit den Konjunkturpaketen I und II und dem Programm „Gute Schule 2020“. Die haben uns wirklich was gebracht. Das war auch ein Zeichen von Vertrauen uns Kommunen gegenüber! Die Zeiten, als man in manchen Kommunen das Geld dazu genutzt hat, um Prachtbauten hinzustellen, sind doch lange vorbei. Da muss heute doch niemand mehr fürchten, dass Gelder von uns verschwendet werden! Erstens ist kein Geld zum Verschwenden mehr da. Und zweitens wissen wir doch ganz genau, was angepackt werden muss und wie viel das kosten darf! Sicher kann man uns dabei Vorgaben machen, die zum Beispiel den Klimaschutz betreffen – aber dann sollte man die Ausgestaltung im Detail auch uns vor Ort überlassen. Wer, wenn nicht die Kommunen selbst, werden denn wohl am besten wissen, wo vor Ort der Schuh drückt?

Ich habe es vorhin schon gesagt: Wenn die Kommunen nicht entlastet und finanziell besser ausgestattet werden, dann sind sie gezwungen, an ihrer Steuerschraube zu drehen. Oder sie werden angehalten, mit Tricks zu arbeiten. In Alsdorf werden wir nach jetzigem Stand die Grundsteuer auch 2023 und in den Folgejahren nicht erhöhen müssen. Dies gelingt aber nur, weil erhebliche Mehrkosten und Mindereinnahmen sowie Steuerausfälle im Haushalt in Höhe mehrerer Millionen Euro jährlich „isoliert“ werden sollen. So hat es das Land den Gemeinden vorgegeben und die gesetzlichen Regelungen hierzu erlassen. Wir dürfen also jetzt auch bis 2025 „Tarnen, Tricksen, Täuschen“. Ansonsten würde es bei fast allen Kommunen zwangsläufig zu Steuererhöhungen kommen müssen. Aber das löst doch das Problem nicht. Manche Städte müssen trotzdem kommunale Steuern anheben. Was das Land den Kommunen jetzt erlaubt ist nichts anderes, als die Verschiebung derzeitiger Schulden in die Zukunft. Ab 2026 müssen all die isolierten Millionen über 50 Jahre im Haushalt abgeschrieben werden. Das bedeutet für den Haushalt der Stadt Alsdorf jährlich eine Mehrbelastung von über 300.000 Euro! Daher fordern die Kommunen in NRW: Das Land muss zügig eine Regelung für unsere Altschulden durch eine echte Tilgung treffen, damit die zusätzlichen Lasten durch weiter steigende Kreditzinsen die Kommunen nicht endgültig erdrücken. Leider hat das Land die super günstige Zinsphase dafür bereits verpennt, und allein unsere Kassen- /Dispokredite kosten uns Jahr für Jahr wieder 1.150.000 Euro. Da hilft es überhaupt nicht weiter, wenn man in Düsseldorf ständig mit dem Finger auf Berlin zeigt!

Wir nehmen unseren Ministerpräsidenten beim Wort. Er hat versprochen, unsere Altschuldenprobleme bis zum Ende dieses Jahres – eigentlich zum Ende des letzten Jahres – zu lösen. So, wie Hessen, Rheinland-Pfalz, das Saarland und andere es längst vorgemacht haben. Andere Bundesländer haben ihre Kommunen von dicken Aufgabenpaketen entlastet oder ihre Dauerfinanzierung auf eine gesunde Basis gestellt. Das muss jetzt – und nicht irgendwann – auch in NRW passieren! Wir brauchen zwingend eine Anhebung des Anteils der Kommunen am Gesamtsteueraufkommen von derzeit 23 % auf mindestens 28 %! Diese Höhe gab es früher schon einmal für die Kommunen.

Jeder Prozentpunkt macht für das Land rd. 800 Millionen Euro, somit jährlich etwa vier bis fünf Milliarden Euro aus. So viel hat das Land sich gerade selbst als Sondervermögen mal eben so genehmigt! Diese Summe ist aber jährlich notwendig, damit die Kommunen endlich wieder ordentlich und planvoll ihre Aufgaben erledigen können, damit eine kommunale Selbstverwaltung, die ihren Namen verdient, in NRW tatsächlich wieder stattfinden kann! Jeder Prozentpunkt mehr im Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) macht für Alsdorf gut eine Million Euro aus. Wenn wir diese vier bis fünf Millionen Euro jährlich mehr hätten, könnten wir als Stadt im Strukturwandel auch mittelfristig wieder ordentlich planen und müssten nicht mehr von Jahr zu Jahr von der Hand in den Mund leben. Oder auf Förderprogramme schielen, die einfach nur viel Arbeit machen und Heerscharen von Kontrolleuren bei Projektträgern, Bezirksregierungen und Ministerien unnötig beschäftigen. Das Land muss endlich mehr flüssiges Geld in die kommunalen Kassen geben. Kreative Buchführung allein erreicht bald ihre Grenzen! Hier ist es längst nicht mit Luftbuchungen getan, da müssen echte Gelder fließen! Und das rasch! Und ich habe auch nichts dagegen, wenn der Bund dem Land dabei hilft, aber: Macht endlich voran! Die Zeit läuft uns davon!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer mich kennt, der weiß, dass ich mich zu Beginn eines Jahres nicht gerne hinstelle und den Bürgerinnen und Bürgern so viele schlechte Botschaften präsentiere. Doch wenn das Maß voll ist, dann ist es leider voll! Und wo, wenn nicht hier in solch einer großen Runde, gibt es die Gelegenheit, einmal öffentlich all das klar zu benennen, was schlecht läuft und was dringend besser laufen muss? Und eines möchte ich hier und heute klarstellen: das hat mit Parteipolitik überhaupt gar nichts zu tun! All das, was ich hier eben an Forderungen aufgestellt habe, wurde von unserem Rat, vom Städte- und Gemeindebund bereits zigfach – und einstimmig – in Richtung Land und Bund adressiert. An Regierungskonstellationen unterschiedlichster Couleur. Und das seit vielen Jahren! Wir kommen aber jetzt in eine Phase, in der uns Städten und Gemeinden einfach die Luft ausgeht. Wenn sich an der Grundhaltung unserer Landes- und Bundespolitik nichts ändert, dann fährt man die Kommunen zielgerichtet vor die Wand und dann wird es auch nicht mehr lange dauern, bis dieses vollkommen überstrapazierte System kollabiert. Weil die Menschen, die in den Kommunen das Rad drehen und den Laden am Laufen halten, einfach zusammenbrechen! Das jetzt nicht sofort zu ändern, wäre Verantwortungslosigkeit in Reinkultur! Und deshalb sehe ich mich gezwungen, das heute an dieser Stelle so deutlich auszusprechen: Wir können so nicht weiter wurschteln! Das System auf Bundes- und Landesebene so zu ändern, dass wir Kommunen wieder das tun können, was unsere Aufgabe ist – nämlich die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort ordentlich zu gestalten – bedarf einer großen überparteilichen Kraftanstrengung. Aber die lohnt sich!

Warum ist denn der Unmut der Menschen in unserem Land so groß? Weil sie merken, dass dieses System so nicht mehr greift! Wo werden denn die wichtigen Probleme der Menschen gelöst? Wer organisiert Arbeit, Bildung, Betreuung, soziale Absicherung, Freizeitangebote und Verkehrsinfrastruktur? Es sind die Kommunen! Und die waren früher finanziell gut ausgestattet, damit sie sich um die Menschen vor Ort kümmern konnten. Das ist lange vorbei, und das sehen und merken die Menschen. Sie sehen, dass vor Ort immer weniger geht, dass jede noch so kleine aber wünschenswerte Leistung direkt in Grundsteuererhöhungen mündet, dass die Straßen verkommen weil wir kein Geld für deren Erhaltung haben. Das sorgt für Ärger! Das kompensiert dann auch kein höheres Kindergeld mehr und kein Scheck, den irgendeine Ministerin oder ein Minister dann wieder mal überreicht mit lobenden Worten, wie wichtig die Kommunen doch seien. Wir brauchen keine gut gemeinten aber leere Worte. Was wir dringend brauchen, ist beherztes, überparteiliches Handeln, damit unser Land wieder in Schwung kommt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren: Trotz allem, was schlecht läuft, will ich auch sagen, dass wir angesichts großer Herausforderungen nicht einfach einknicken und kapitulieren werden. Nein, das tun wir in Alsdorf einfach nicht! Das hat uns nicht zuletzt unsere jüngere Stadtgeschichte gelehrt, auf die wir erst vor wenigen Wochen bei einem besonderen Festakt im Energeticon zurückgeblickt haben.  An die Zeitspanne „30 Jahre nach dem Bergbau“ ist bei dieser schönen Veranstaltung von unserem Pro Energeticon-Verein und dem Verein Grube Anna Bergbauinformationszentrum erinnert worden. Die Älteren unter Ihnen wissen alle noch, wie es damals war, als 1992 mit Emil Mayrisch und Anna die letzten Gruben in der Region geschlossen wurden. Damals gab es auch viele düstere Prognosen, sah die Zukunft Alsdorfs nicht rosig, sondern schwarz wie Kohle aus. Ein deutlicher Bevölkerungsrückgang und eine enorme Zunahme von Arbeitslosigkeit wurden damals vorausgesagt. Mit dieser Prognose vor Augen haben wir mit klarem Willen den Strukturwandel angepackt – und dabei gab es anders als heute zum Glück eine große und langfristig angelegte Unterstützung und Anschubhilfe durch das Land Nordrhein-Westfalen! Und die hat sich ausgezahlt, davon haben einfach alle profitiert. Denn Alsdorf ist dadurch ganz neu erblüht, ist heute eine moderne Wohnstadt, die ihren Einwohnerinnen und Einwohnern einen hohen Freizeitwert und viele gute, neue Arbeitsplätze zu bieten hat. Allein an den Standorten unserer Business-Parks in Schaufenberg und Hoengen bieten die Unternehmen – darunter einige international tätige Schwergewichte – heute mehr Arbeitsplätze an, als der EBV in seinen letzten Jahren hatte. Und es könnten durchaus noch deutlich mehr werden. Derzeit laufen Gespräche mit zwei Firmen, die alleine bis zu 2.000 neue Arbeitsplätze schaffen könnten. Doch leider ist es nicht mehr so leicht, die nötigen Flächen für weitere Ansiedlungen zu bekommen. Wenn es überhaupt noch Flächen gibt, dann werden dafür nicht selten horrende Summen gefordert. Mancher Landwirt erwartet dafür das Vierfache des tatsächlichen Preises! Da gibt es teilweise völlig überzogene Forderungen, die Erweiterungen verhindern. Aber auch hier werden wir Lösungen finden, genau wie wir sie auch für unser Zentrum gefunden haben, in dem der Annapark mit seinem Wohngebiet, mit dem Kultur- und Bildungszentrum, der neuen Sportanlage und dem Energeticon zum Teil einer neuen Mitte geworden ist. Dort werden wir jetzt eine neue räumliche Lösung für die Realschule schaffen, die dadurch wieder auf drei Züge wachsen kann, dort wird das Dalton-Gymnasium auf vier Züge erweitert, und in Mariadorf wird unsere Marienschule sogar fünf Züge erhalten; so groß ist der Bedarf, weil wir nach wie vor eine wachsende Stadt sind! Auch die GGS Kellersberg-Ost wird auf vier Züge erweitert. Ich will aber an dieser Stelle nicht verhehlen, dass uns für unsere Kleinsten derzeit in Alsdorf rund 300 Kita-Plätze fehlen. Aber ich darf sagen, dass wir mit Hochdruck dabei sind, Abhilfe zu schaffen. Zwei Standorte für je 120 Kita-Plätze sind schon im Bau und in Vorbereitung, die Standortsuche für zwei weitere neue Kitas läuft. Gleichzeitig tut sich was bei den Sportplätzen. Im Mai haben wir die neue Sportanlage in Zopp eröffnet, auch in Ofden geht die Erneuerung jetzt in die finale Phase. Und eine neue Turnhalle wird mit dem Bau der Realschule kommen. In diesem Jahr geht es dann auch los mit dem Neubau unseres neuen Hallenbades am Wasserturm zwischen KuBiZ und Energeticon. Und neben der Kraftzentrale entsteht derzeit die neue Jugendkunstschule, für die uns unsere Bundestagsabgeordnete Claudia Moll 1,2 Millionen Euro Förderung besorgt hat. Damit wird diese Ecke der Innenstadt zwei weitere tolle Bausteine bekommen!

Sie sehen, es geht bei uns in Alsdorf gut weiter! Was wir tun können, das tun wir! Das bringen wir zum Erfolg. Bald ist das Wohngebiet am Annapark voll, auch für die noch freien Gewerbeflächen dort gibt es konkrete Ansiedlungswünsche. Gleichzeitig reifen die gestalterischen Ideen für die große freie Fläche hinter unserem Rathaus. Diese Fläche können wir jederzeit anpacken, wenn wir das für vernünftig halten. Mit der Firma Plum reden wir über eine neue Nutzung des derzeitigen Schrottplatzgeländes an der Euregiobahnstrecke. Hier können gut 120.000 Quadratmeter Fläche neu genutzt werden, auch dafür werden neue Ideen entwickelt. Die wird es auch für die Annaplatte geben, wo unser Fördergerüst als Wahrzeichen der Stadt steht. Diese Fläche ist damals viel zu groß angelegt worden, die wollen wir anders gestalten und besser nutzen. Und das gilt in ganz besonderer Weise auch für den Bereich des Zentralparkplatzes, der zwischen dem Denkmalplatz, zwischen den Einkaufsachsen und dem Annapark quasi das Scharnier bildet und ein wichtiges verbindendes Element ist, das ganz zentral für die weitere Entwicklung unserer Innenstadt steht. Das muss gut werden, denn hier haben wir nur einen Versuch. Der Leiter unseres Amtes für Planung und Umwelt, Herr Andreas Dziatzko, wird Ihnen gleich skizzieren, wo wir derzeit mit diesem wichtigen Projekt stehen und wie es weitergeht. Ich darf aber schon jetzt sagen, dass wir aus diesem Filetstück in der City etwas Tolles machen wollen! Das gilt auch für den Annapark, der viele Problemstellen hat, und daher mit dem Zentralparkplatz und dem Annaplatz neu gedacht werden muss.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sie sehen: Wir bleiben in Alsdorf auf einem richtig guten Weg. Genau den wollen wir weitergehen! Dazu haben wir die richtigen Ideen und das nötige Know-how. Aber den Weg können wir nur dann gehen, wenn uns von Bund und Land keine Steine in den Weg gelegt werden! Wir Kommunen sind es, die den Wandel vorantreiben, der sich für alle lohnt!

 Man sollte das neue Jahr bekanntlich mit guten Wünschen beginnen. Ich wünsche mir von allen Abgeordneten in Landtag und Bundestag: Statten Sie die Kommunen endlich dauerhaft mit Investitions- und freien Haushaltsmitteln aus, damit wir im Sinne der Menschen planvoll und zielführend unsere Arbeit machen können. Das muss ihr allerwichtigstes Ziel sein, wenn es ihnen um die Menschen in diesem Land und in ihren Wahlkreisen geht! Wenn wir alle vom schlanken Staat reden, dann ist er möglich – aber dafür brauchen wir starke und selbstbewusste Kommunen. Was wir nicht brauchen sind aktionistische Förderprogramme und überbordende Bürokratie auf Bundes- und Landesebene! Da müssen wir anpacken.

Wir in Alsdorf werden alles in unseren Kräften Stehende tun, um unseren Beitrag zu leisten, und wir bringen ein gut eingespieltes Team aus Haupt- und Ehrenamtlern mit, das auch unter den derzeitigen Bedingungen immer noch den Karren aus dem Dreck zieht. Wir brauchen diese dringenden Veränderungen nicht, damit es glückliche Bürgermeister gibt. Wir brauchen sie, um den motivierten Menschen hier vor Ort, im Rat und im Haupt- und Ehrenamt ihr Engagement zu erleichtern. Damit sie die Lebensumstände für ihre Mitmenschen Tag für Tag ein Stück verbessern können. Das wünsche ich mir für 2023 – und danke allen herzlich, die daran ihren Anteil haben!

Glück Auf!

- es gilt das gesprochene Wort - 

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