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Gewerbesteuer-Rückzahlung: Stellungnahme des Bürgermeisters

Ich muss heute leider die nächste Hiobsbotschaft verkünden: Es kommt eine neue, weitere Gewerbesteuerrückzahlung auf uns zu. Zusätzlich zu den bereits in Rede stehenden 17,7 Mio. €.

Ich habe auf meine Nachfrage hin eine schriftliche Information des Finanzamtes für die Jahre 2007 – 2009 vorliegen, aus denen man schließen muss, dass uns weitere Gewerbesteuerrückzahlungen an ein Alsdorfer Unternehmen plus Zinsen ins Haus stehen. Evtl. in Millionenhöhe. Und, ich wiederhole es noch einmal, zusätzlich zu den 17,7 Mio. €. Und ich sage ganz deutlich: Ich wurde diesmal - anders als im ersten Fall – aufgrund meiner Vorsprache durch das Finanzamt schriftlich vorab informiert. Nun kenne ich die Grundlagendaten  des Finanzamtes, aus der später die Rückerstattung errechnet wird. Aber: ich habe keinen Bescheid, es ist ein schwebendes Verfahren. Ich darf Ihnen daher die Summe aus steuerrechtlichen Gründen nicht nennen. Vor allem auch, weil die abschließende Größenordnung nicht feststeht und im laufenden Prüfverfahren noch verändert werden kann. Gestern Abend habe ich die Fraktionen über die neuen Informationen in Kenntnis gesetzt.

Insgesamt ist das für uns eine unvorstellbare Dimension.

Ich sage das als Bürgermeister und Behördenleiter, aber ich sage das auch aus persönlicher Sicht. Ich bin menschlich stark getroffen. Mit einem Schlag wird zerstört, wofür Rat,  Verwaltung und ich fünf Jahre lang gekämpft haben: die Stadt auf den richtigen Kurs zu bringen, die Finanzen zu ordnen und Alsdorf in ein ruhiges Fahrwasser zu bringen.

Dabei haben wir uns keine unangenehme Fragestellung erspart. Ich nenne beispielhaft die Steuererhöhungen in erheblichem Ausmaß, die Schließung der Hauptschule oder auch die Zusammenlegung der Grundschulen Kellersberg und Ost. Ich bin von dieser Vorgehensweise auch nach wie  vor überzeugt. Ehrlichkeit gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, auch wenn es unangenehm ist. Das war stets die Devise.  Wir haben in der Vergangenheit alles offen und transparent gehandhabt. Und genau das werden wir auch in Zukunft tun. Auch wenn eine Lösung unserer Probleme jetzt in noch weitere Ferne gerückt ist.

Wir waren so weit, die Restprobleme aufzuarbeiten und ab 2017 hätten wir wieder schwarze Zahlen schreiben können. Wir hatten unseren Haushalt auf Armeslänge im grünen Bereich – trotz unerwartet anfallender „großer Brocken“ wie z. B. den Neubau der Kita Florianstraße, Mehrkosten in der Jugendhilfe, den Abriss der Schule Ost oder auch Mehrkosten im Bereich Asylbewerberleistungsgesetz. Die Rückzahlung der 17,7 Mio. € und die weiteren möglicherweise anstehenden Rückzahlungen bescheren uns nun eine komplett neue Finanzsituation, die zwei Problemstellungen mit sich bringt.

  1. Die aktuelle Liquidität und die Auszahlung der Rückerstattung 2003 - 2006 ist zu sichern. Das soll am 24. Juni in der Ratssitzung mit einer Erhöhung der Kassenkredite sichergestellt werden. Wir können am Dienstag allerdings nur auf die Zahlen reagieren, die uns mittlerweile bekannt sind. Das sind besagte 17,7 Mio. €.
  2. Wie wirkt sich das Ganze auf die Haushaltsplanung und -wirtschaft aus?

Dabei dreht sich erst einmal alles um die Kernfrage: Wie wird mit den Zinsen umgegangen? Gehen die Zinszahlungen völlig zu unseren Lasten? Oder bekommen wir Hilfe. Wir bitten insbesondere das Land um Hilfe in dieser außergewöhnlichen Situation.

Denn es ist meines Wissens nach einmalig, dass eine Kommune von Gewerbesteuerrückzahlungen in dieser Höhe getroffen wird und durch diese finanziell handlungsunfähig zu werden droht.

Diesbezüglich finden Gespräche mit dem Finanzministerium statt, dem ich einen Brandbrief geschrieben habe. Ich wiederhole es noch einmal: Unser Fall ist einmalig, denn ich kenne keine Gemeinde in Nordrhein-Westfalen, die unverschuldet in eine solche Haushaltssituation geraten ist.

Denn – auch das wiederhole ich  – der Stadt Alsdorf ist kein Fehler unterlaufen.

Wir haben auf Basis des Steuermessbetrages, den das Finanzamt ermittelt hat, die Gewerbesteuer für ein Alsdorfer Unternehmen rückwirkend neu zu veranlagen.

Ich möchte an dieser Stelle auch etwas klar stellen: Weder dem Unternehmen noch dem Finanzamt kann ich an dieser Stelle einen Vorwurf machen. Beide haben sich auf der Grundlage der Deutschen Steuergesetzgebung auseinander gesetzt. Am Ende des Verfahrens steht ein Anspruch des Unternehmens, dem das Finanzamt Rechnung trägt in Form von neuen Messbescheiden, die wir in Gewerbesteuerbescheide umzusetzen haben.

Das Finanzamt ist auch nicht verpflichtet, uns über solche Vorgänge zu informieren oder uns im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens beizuladen.

Trotzdem wird ja immer ein Schuldiger gesucht. Wenn man überhaupt die Schuldfrage beantworten will, kann man nur auf eines verweisen: Unsere Steuergesetzgebung bietet den legalen Rahmen für das, was uns hier widerfährt.

Natürlich haben wir auch geprüft, inwiefern unsere Bescheide, die vor Jahren veranlagt und verschickt wurden, nicht doch rechtskräftig sind. Rechtlich werden wir hier keine Möglichkeit haben, denn die vom Finanzamt festgesetzten Steuermessbeträge sind durch die Stadt  in Gewerbesteuerbescheide umzusetzen. Wir sind hier weder Prüf- noch Entscheidungsinstanz. Diese Aufgabe steht allein den Finanzämtern zu.

Nun ist vor allem die Frage zu klären, welche Summe am Ende bei der Stadt Alsdorf verbleibt und wieviel wir unterm Strich finanzieren müssen. Dann können wir in einem zweiten Schritt versuchen, uns über die haushaltswirtschaftlichen Konsequenzen intern klar zu werden und Lösungen zu suchen, wie wir diese Summe aufbringen können. Alles andere ist Spekulation.

Man kann nicht schon jetzt darüber fabulieren, wo was gekürzt werden muss. Was zu tun ist, haben wir getan, indem wir die Haushaltssperre verhängt haben. Alle kostenrelevanten Entscheidungen der Stadt können jetzt nur noch geleistet werden, wenn der Kämmerer diese in einer strengen Prüfung als unabweisbar einstuft.

Gemeinsam mit der Kommunalaufsicht werden wir in den nächsten Wochen feststellen, welche Beträge wir kompensieren müssen und in welchem Zeitrahmen dies zu tun ist. Ein beachtlicher Teil der Gewerbesteuererstattungen wird schon im nächsten Jahr dadurch kompensiert, dass wir aufgrund der nun rapide gesunkenen Steuerkraft der Stadt Alsdorf vom Land in 2015 bedeutend mehr Schlüsselzuweisungen erhalten und an die Umlageverbände weniger Umlagen abführen müssen. Dennoch werden einige Millionen an uns hängen bleiben. Wieviel, können wir erst sagen, wenn wir die für den Haushalt notwendigen Orientierungsdaten des Landes erhalten.

Gewerbesteuerrückzahlungen bzw. Nachveranlagungen sind bei Unternehmen nicht ungewöhnlich und kommen daher regelmäßig vor, allerdings nicht in dieser Dimension. Deshalb gab es für uns auch keinen Grund für Alarmstimmung, selbst als im Rahmen eines Meinungsaustauschs, der mit etlichen Unternehmen sporadisch stattfindet, die Geschäftsführung erwähnte, dass das Unternehmen mit der Rückzahlung von Körperschaftssteuern rechnen könne und daraus ggf. auch Gewerbesteuerrückzahlungen folgen, die nicht beziffert werden könnten. Eine Nachfrage der Stadt beim Finanzamt ergab, dass, wenn mit einer Erstattung zu rechnen sei, diese im Datenträgerabgleich der Stadt umgehend mitgeteilt würde. Das Fachgebiet Bürgerdienste (Steueramt) wurde beauftragt, nach Eintreffen der Daten zum Sachverhalt zu informieren. Die Fachgebietsleitung bestätigte, dass sie keinerlei Kenntnis von einem Rückerstattungsanspruch hatte. Zum Datum 2. Mai 2014 berichtete das Fachgebiet Bürgerdienste, dass im Rahmen des neuesten Datenträgeraustausches keine neuen Erkenntnisse zum betreffenden Unternehmen vorlägen. Am 12. Mai 2014 berichtete die Fachgebietsleitung, dass die Gewerbesteuereinnahmen der Stadt 2014 den Haushaltsansatz um 500.000 € überschreiten würden. Diese Prognose gründe auf dem aktuellen Daten-Ist-Stand der Finanzbehörde.

Erst am 2. Juni 2014 erfuhr eine Mitarbeiterin des Fachgebietes Bürgerdienste bei einem Termin in der Rechtsbehelfsstelle der Finanzbehörde zu einem anderen Fall, dass für das nun in Rede stehende Unternehmen eine Nachveranlagung der Gewerbesteuer für die Jahre 2003 bis 2006 aufgrund einer Klage erfolgt sei. Dies führe zu einer erheblichen Gewerbesteuererstattungspflicht für die Stadt Alsdorf.

Auf sofortige Nachfrage der Stadt wurden die entsprechenden Bescheide der Finanzbehörde an das Unternehmen der Stadt Alsdorf am Dienstag, 3. Juni 2014, zugefaxt. Diese führen zu einer Gewerbesteuererstattung in Höhe von rd. 17,7 Mio. €. Davon 5,4 Mio. € Zinsen. Diese Summen sind Ihnen ja bereits bekannt. Ihre Höhe konnte vorher durch die Stadt Alsdorf zu keinem Zeitpunkt weder vermutet noch geschätzt werden, da wir an dem Verfahren von Prüfung und Festsetzung der Steuerkraft von Unternehmen nicht beteiligt sind.

Und bezüglich der eventuell noch zu erwartenden Gewerbesteuerrückzahlung ist festzuhalten, dass die Betriebsprüfungen für die Jahre 2007 bis 2009 noch nicht abgeschlossen sind. Deswegen kann auch noch keine Aussage über die Höhe getroffen werden.

Ich möchte weiter ausdrücklich festhalten:

Die städtische Behörde hatte keine Information über die geschäftliche Situation des Unternehmens. Von Seiten der Finanzbehörde gab es keinen Austausch mit den städtischen Behörden über die geschäftliche Situation des betreffenden Unternehmens. Darf es übrigens auch nicht, denn das verbietet das Steuergeheimnis. Das habe ich ja eingangs schon erwähnt.

Für uns heißt das, die noch ausstehende Rückzahlung betreffend: Wir wissen, dass etwas kommt. Aber wir wissen nicht in welcher Höhe, denn alle Zahlen stehen unter dem eindeutigen Vorbehalt, dass sie bis zur Erstellung des Bescheides durch das Finanzamt an das Unternehmen einfach nicht feststehen. Und so wenig wie uns die Finanzbehörde wohl schon jetzt eine vorbehaltsfreie Zahl über die weiteren Rückzahlungen nennen kann, so sicher können auch wir noch nicht handeln und eben auch nicht informieren. Alles andere bliebe Spekulation.

Was sind also die nächsten Schritte?

Wie schon gesagt: wir müssen zunächst die Zahlen bewerten, im Abstimmungsgespräch mit der Aufsicht und dem Ministerium klären, was konkret an Zahlungen bei uns verbleibt. Kurzum: Wir tun alles, um die Summe, die die Stadt Alsdorf zahlen muss, zu minimieren und möglichst viel Zeit zu gewinnen, um diese Beträge haushaltsmäßig so zu verarbeiten, dass es nicht zu großen Verwerfungen kommt. Am Dienstag werden wir dem Rat eine Erhöhung des Kassenkreditrahmens auf 130 Mio. € vorschlagen, um unseren verbliebenen Verpflichtungen nachzukommen und weitere Zinszahlungen zu vermeiden.

Erlauben Sie mir zum Schluss noch eine weitere Anmerkung: Ich habe das Rechnungsprüfungsamt  der Stadt Alsdorf mit der Dokumentation des Sachverhaltes beauftragt. Das RPA wird den Ablauf im Fall der Gewerbesteuerrückzahlung intern prüfen und festhalten, damit hier nichts offen bleibt.

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